Isabel Hochgesand

Im Zuge der BME-Porträtreihe „Leading Ladies in Procurement" gibt Isabel Hochgesand, Chief Procurement Officer bei Beiersdorf AG, im folgenden Interview Einblicke in ihren Werdegang.
Veröffentlicht am 07.08.2023

Position: Chief Procurement Officer
Unternehmen: Beiersdorf AG

Was hat Sie in den Einkauf geführt?

Im Einkauf habe ich eher per Zufall angefangen. Nachdem ich meinen MBA in den USA gemacht habe, wollte ich in einem internationalen, bevorzugt amerikanischen, Unternehmen anfangen. Die Personalabteilung war der Meinung, dass ich gut in den Einkauf passe. Wie recht sie hatte! Ich hatte damals gar nicht geplant, so lange zu bleiben. Dann hat es mir aber so gut gefallen, dass ich nicht mehr wegwollte. Wo sonst kann man in jungen Jahren so viel Verantwortung bekommen, ja – die Firma repräsentieren?

Als Führungskraft im Einkauf haben Sie sicherlich eine Vielzahl von Verantwortlichkeiten. Bitte beschreiben Sie uns Ihren Verantwortungsbereich oder Projekte, an denen Sie derzeit arbeiten.

Neben meiner Funktion als CPO setze ich mich sehr für das Thema der Nachhaltigkeit ein. Ich sitze im betriebsweiten Nachhaltigkeits-Führungsgremium, co-leite das Thema in der Supply Chain und sehe mich als Wegbereiterin für neue und wertstiftende Partnerschaften mit direkten und indirekten Lieferanten im Wandel zu einer klima-positiven Zukunft. Darüber hinaus treiben wir gerade die Digitalisierung unserer Einkaufsprozesse voran und sind zum Beispiel bei mehr als 600 000 Transaktionen mit einem Automatisierungsgrad von über 90 Prozent ganz vorne mit dabei. Zudem erleichtern uns Robots und Chatbots das Leben und sie eliminieren Prozesse, die keinen Mehrwert liefern.

Empowerment passiert durch Begegnungen. Gibt es bestimmte Vorbilder oder Inspirationsquellen, die Sie persönlich beeinflusst haben?

Ich habe auf meinem Weg viele Männer und Frauen getroffen, die mich beeinflusst haben – interessanterweise als positive oder negative „Nicht-Vorbilder“. Ich möchte da jetzt gar keinen herausgreifen.

„Sie als Frau…“, war das bisher in Ihrer Karriere ein Thema?

Definitiv. Aber nicht so offensiv. Eher die Blicke, Kommentare oder Behandlung. So auf die Art: ‚Sie nimmt jetzt diesen Job an und dann wird sie eh schwanger und ist weg.‘ ‚Sie hat ja jetzt geheiratet und wer weiß, was jetzt beruflich ist.‘ ‚Wer kümmert sich eigentlich bei Ihnen um die Kinder?‘

Welche Hürden und Herausforderungen sind Ihnen im Laufe Ihrer Karriere begegnet?

Am Anfang der Karriere: junge Frau, die man nicht ernst nimmt. Oder: junge BWLerin, die sich ja mit Technologie nicht auskennt. Und immer, wenn ich beruflich umgezogen bin, habe ich gemerkt, dass die ganzen Policies oder Richtlinien von Menschen gemacht wurden, die entweder selbst noch nie umgezogen sind, oder von Menschen, die keine Verantwortung für Familienumzug und Eingewöhnung haben. Als wir in die USA gezogen sind, haben drei freie Tage einfach nicht gereicht, das Haus einzurichten, eine Nanny zu finden, das Kind in der Schule einzugewöhnen und selber anzukommen. Klar gab es auch meinen Mann, aber er war nicht der klassische ‚trailing spouse‘, ein mitziehender Ehepartner, der alles aus dem Ärmel schüttelt.

Welche Werte spielen in Ihrem Leben eine große Rolle?

Werte spielen insgesamt eine sehr große Rolle in meinem Leben. Das kommt auch immer wieder in Persönlichkeitstests aller Art raus, sowie in brenzligen Situationen. Ganz einfach auf den Punkt gebracht: mich hat immer geleitet: ‚Man muss am Ende des Tages in den Spiegel schauen können‘.

Was würden Sie sich in puncto Frauenförderung von Entscheidungsträgern und der Politik wünschen?

Für mich ist Vielfältigkeit so viel mehr als Frauenförderung. Denn auch als Führungskraft verschiedene Persönlichkeiten oder verschiedene Führungsstile zu akzeptieren – ja, zu schätzen, und daraus „1+1=3“ zu machen, ist wichtig. In Deutschland wünsche ich es mir (immer noch), dass Frauen und Männer in der Familienplanung und Verantwortung gleichgestellt sind. Das funktioniert doch in den skandinavischen Ländern super.

Wären mehr Führungspositionen in Teilzeit wünschenswert, um mehr Frauen auf C-Level im Einkauf zu haben?

Auf jeden Fall und dies fördern wir auch. Beispielsweise bin ich ein großer Fan von Job-Sharing und wir haben bereits Tandems auf unterschiedlichen Ebenen eingeführt. Sowohl auf Management- als auch auf Teamleadlevel haben wir damit sehr gute Erfahrungen gesammelt. Und wir sind sogar noch einen Schritt weitergegangen: Mit einem Job-Tandem, das mit Hamburg und Wien an verschiedenen Standorten lebt und arbeitet, sind wir Frontrunner bei Beiersdorf.

Was war bisher ihr größtes Abenteuer?

Da gibt es viele Antworten: 1. Als 19-Jährige in die USA zum Studium zu gehen – in ein Land, in dem ich vorher noch nie war und in einer Zeit, in der es keine Handys oder E-Mail gab. Und 2. Familie zu gründen und Kinder zu bekommen, und 3. auf einer Safari in Südafrika Raubtieren sehr nahe zu kommen.

Was planen Sie für das nächste Jahr?

Lassen Sie sich überraschen! Es wird spannend.

Zum Abschluss: Was würden Sie Frauen, die im Einkauf erfolgreich sein wollen, gerne mit auf den Weg geben?

LEAN IN – wie es so treffend im Buch von Sheryl Sandberg beschrieben ist. Trau dich was, setz dich an den Tisch und nicht in die zweite Reihe! Und: ENJOY THE RIDE!

Kurzprofil:

Ich bin CPO bei der Beiersdorf AG, einem Unternehmen für Körperpflege und Kosmetik, mit bekannten Marken wie Nivea, Eucerin und La Prairie. In dieser Funktion verantworte ich die konzernweiten Ausgaben (~4,5 Milliarden Euro) in den Einkaufsbereichen Rohstoffe, Verpackung, indirekte Materialien und Services sowie Marketing. Bevor ich 2017 zu Beiersdorf kam, habe ich 25 Jahre lang bei Procter & Gamble gearbeitet. Neben verschiedenen Positionen und Führungsrollen im Einkauf war ich auch in der Supply Chain tätig und habe in Deutschland, den USA und der Schweiz gearbeitet. Ich bin weiterhin Aufsichtsratsmitglied bei Ontex, Belgien, und Mitglied in diversen Frauennetzwerken. Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder.

Foto: Isabel Hochgesand

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Bei Fragen steht unsere Kollegin Lu-Sophie Höflein (lu-sophie.hoeflein@bme.de) gerne zur Verfügung.